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Elin auf der Leipziger Buchmesse 2023

Elin Bedelis • Mai 14, 2023

  Ich war in dreifacher Instanz auf der LBM 2023!

Hinter den Kulissen bei der Leipziger Buchmesse
 Dreifache Instanz? Heißt das gestresst, aufgeregt und glücklich? Nun ... auch. Es waren tatsächlich unheimlich volle Tage, denn ich war vor Ort als Besucherin, als ausstellende Autorin und als Verlagsmitarbeiterin. Alle drei Aufgaben hatten ihre eigenen Herausforderungen und mit allen Hochs und Tiefs habe ich in Leipzig ein paar wahnsinnig spannende Tage erlebt. Was hinter Schlachten am LYX-Stand, meiner erste Messelesung und Messechaos steckt, das erfahrt ihr hier!

Vor Ort für Bastei Lübbe
Manch eine:r mag es bereits mitbekommen haben: Nach dem Studium habe ich eine Trainee-Stelle bei Bastei Lübbe angenommen. Da hieß es: Ab auf die Leipziger Buchmesse! Es sollte niemanden überraschen, dass mein Messeprogramm damit eigentlich schon voll war. Ich hatte alle Hände voll zu tun, denn zur Bastei Lübbe AG gehört auch das New-Adult-Label LYX und das erfreut sich ganz besonderer Popularität. Wer jetzt denkt, dass es gelegentlich etwas voll gewesen sein könnte, hat vermutlich die LBM nicht erlebt. Die Publikumsmesse war in diesem Jahr ohnehin un-fass-bar voll. Nach so vielen Corona-Jahren hatten wir alle schon fast vergessen, wie sich Menschenmassen anfühlen, nicht wahr? Nun, hier musste man wirklich jede Menschenscheu ablegen, denn am LYX-Stand war kein Durchkommen. Wir konnten die Bücher und Charakterkarten gar nicht so schnell nachräumen, wie die begeisterten Leser:innen sie uns buchstäblich aus den Händen gerissen haben. Und das gilt nicht etwa nur für die Sonderausgaben, die wir mit auf der Messe hatten (die waren ohnehin täglich nach 10 Minuten ausverkauft), sondern auch für ganz normale Bücher zum regulären Buchhandelpreis. Die Schlange am Stand reichte teilweise einmal durch die ganze Halle bis zu den Toiletten und an den Tischen wurde sich manchmal regelrecht um ein Exemplar gezankt. Vielleicht vermittelt das einen Eindruck davon, wie voll es am Stand selbst gewesen ist:

Menschenmengen am LYX-Stand bei der LBM 2023

Als Mitarbeiterin war ich natürlich mitten dazwischen, konnte mich aber zwischenzeitlich hinter die Kasse retten. Es war unglaublich wie viel Begeisterung diese Bücher bei so vielen jungen Leser:innen auslösen können. Einige mögen den Reiz eines NA-Romans nicht ganz nachvollziehen können, aber unabhängig davon muss man zugeben, dass das Label LYX beweist, dass junge Menschen zahlreich mit Leidenschaft lesen. Die Leipziger Buchmesse insgesamt zeigt, dass das Medium Buch ungebrochen populär ist. Juhu!

Natürlich kommt mit Verlagsarbeit auf einer Buchmesse eine Menge Stress hinzu. Das bleibt gar nicht aus, wenn so viele Dinge parallel passieren müssen und selbstverständlich geht ständig etwas schief, funktioniert nicht so wie geplant oder ist schlicht von Anfang an vergessen worden - gerade wenn man erst kurz vor der Messe im Unternehmen angefangen hat und niemand so richtig weiß, wer man eigentlich ist. Im Positiven ist man aber natürlich auch bei den ganzen Dingen dabei, die einem eher verborgen bleiben, wenn man "nur" als Besucher:in vor Ort ist. Standpartys, Aftershows, Verlagstreffen, Sonderlesungen, Abendveranstaltungen und ... der Zugang zur Ausstellertoilette.

Allein die Arbeitszeit vor Ort war also schon anstrengend genug und natürlich viel länger als so ein Bürotag sonst wäre ... und am Wochenende. Entsprechend war ich unfassbar erschöpft. Beweisstück A:


Eine erschöpfte Elin zeigt Daumen hoch vor der Ausstellertoilette

Autor:innen arbeiten zusammen - Als Ausstellerin beim Chronistenturm

Ich bin Mitglied im Chronistenturm. Chronistenturm? Das ist ein Zusammenschluss von Fantasy-Autor:innen, die sich zum Schreiben und Veröffentlichen ausstauschen und spaßige Aktionen zusammen organisieren. Und eine gewisse Eule hat schon 2022 vorgeschlagen, einen gemeinsamen Stand auf der LBM zu finanzieren - was sich für alle Beteiligten mehr lohnt als ein Alleingang. Doch dann kam alles anders, denn wie so viele andere Veranstaltungen wurde auch die LBM 2022 erneut abgesagt. So wurde das Projekt 2023 erneut aufgenommen und auch ich hatte meine Trilogie für den Stand gewappnet und mich - voller Aufregung - für die gemeinsame Lesung gemeldet. Soweit so unproblematisch, wäre da nicht der Berufseinstieg gewesen.

Dankenswerterweise kann man ja über alles reden und so habe ich kurzerhand allen Beteiligten mitgeteilt, dass ich zwar nicht am Stand dabeisein kann, aber nach den vielen Überstunden auf der Messe zwischendurch eine Stunde verschwinden kann, um eine halbe Stunde Lesung mitzumachen und noch ein paar Bücher zu signieren. Meine Mitchronist:innen haben den Stand also ohne mich mit viel Liebe betreut und haben dafür meinen ewigen Dank. Mein Beitrag bestand aus den Messeflyern, damit war es dann wieder gerecht(er).

Die Umsetzung mit Bastei war zuerst unproblematisch ... über das Nachhinein reden wir einfach nicht. Konzentrieren wir uns lieber auf das Wesentliche: Die Lesung.

Elin bei der Lesung auf der LBM 2023

Es war so aufregend! Mein Lesen muss wohl auch einigermaßen überzeugend gewesen sein, denn danach sind einige zum Stand um die Ecke gepilgert, um sich schnell Band eins zu schnappen! Das hört man doch immer gern.

Live zu lesen ist ein wundervolles Gefühl. Ich bin auf jeden Fall auf den Geschmack gekommen und habe seither ein paar Online Lesungen gehalten, die von den Zuschauenden sehr positives Feedback bekommen haben. Auf einer Bühne wie dieser zu lesen war aber natürlich auch mit großer Aufregung verbunden. Zum Glück bin ich aber bekanntlich sehr gerne auf Theaterbühnen - wie anders kann so eine Lesung schon sein? Meine scharfe Selbstkritik haben die Anwesenden jedenfalls nicht geteilt und jetzt im Nachhinein bin ich ziemlich zufrieden mit diesem Auftritt. Wie eine professionelle Person habe ich den Text von meinem Handy gelesen, denn ich habe einen Ausschnitt aus einer unveröffentlichten Pyria-Geschichte gelesen und die habe ich noch nicht als Print. Über die Anthologie muss ich euch später mehr erzählen.

Eine liebe Leserin hat sich sogar extra die Zeit genommen, um gezielt für mich zu der Lesung zu kommen und sich außerdem ein Autogramm zu holen. Da bin ich vor Stolz vermutlich spontan ein paar Zentimeter gewachsen. Die Lesung war also ein voller Erfolg!


Ein weiteres Highlight an der ganzen Aktion waren die anderen Chronist:innen. Man kennt sich schließlich sonst nur vom Video-Stammtisch oder aus langen Chatverläufen. Da war es schon etwas Besonderes, sich mal zu begegnen, auch wenn ich nur kurz vorbeikommen konnte. So viele nette Autor:innen sind da zusammengekommen und es war sehr schnell klar, dass da Freunschaften gewachsen sind. Die anderen haben meine Bücher auf jeden Fall liebevoll vertreten und ich hoffe, dass wir nächstes Mal mehr Zeit zusammen haben. Für ein kurzes Foto hat es aber trotzdem gereicht:


Gruppenfoto der Chronisten am Chronistentrum-Stand auf der LBM 2023

Als Besucherin

Nun, wie gesagt, mit all dem Rahmenprogramm blieb nicht viel Zeit, um die Messe selbst zu erleben. Es gibt einige Hallen, die ich gar nicht erst betreten habe und vom Programm abseits meiner eigenen Lesung und der Veranstaltungen bei Bastei Lübbe am Stand habe ich nicht viel von der Messe mitbekommen. Was ich allerdings genießen konnte, waren die vielen, vielen Begegnugen vor Ort. Eine meiner Blogger:innen hat mich am Stand besucht, eine andere habe ich zufällig getroffen (what are the Odds??) und einigen Freundinnen ist man auch mehr oder weniger geplant über den Weg gelaufen. Außerdem kommt man natürlich mit vielen neuen Leuten ins Gespräch.

Die Leipziger Buchmesse 2023 hatte einiges zu bieten und zusammen mit der Manga Comic-Con in der Nachbarhalle hat das Event viele verschiedene Buchbegeisterte aus Deutschland und der Welt angezogen. Angesichts der Besucherzahlen war es also wohl für viele eine sehr erfolgreiche Messe und das ist ein Fazit, das man sich als Veranstalter nur wünschen kann.

Es bleibt auch festzuhalten, dass man viel Neues lernen kann, wenn man sich in eine solche Extremsituation begibt. Zum Beipsiel wie viele Stunden man am Stück arbeiten kann, bis man umfällt :D. Ich habe auf jeden Fall einiges für mich als Autorin und als Verlagsperson mitgenommen und freue mich schon auf die nächste Messe.


Wer kommt mit zur Leipziger Buchmesse 2024?

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Inhalt (spoilerfrei): Es geht um den wissbegierigen und vorsichtigen Prinzen Yarvi, der seit seiner Geburt eine verkümmerte Hand hat und deshalb den Spott der Familie und des ganzen Königreichs auf sich zieht, seinen Titeln entsagen und ein Priester werden soll. Als jedoch sein Vater und sein älterer Bruder in einem intriganten Hinterhalt erschlagen werden, muss Yarvi den Thron kurz vor seiner Prüfung dennoch besteigen und ist dank der fehlenden Hand und seiner friedliebenden Art weder körperlich noch kämpferisch der König, den sich das Königreich wünscht – oder der er selbst sein will. In einem hinterhältigen Plan wird er auf seinem wiederwilligen Feldzug gegen die Mörder seines Vaters und Bruders ins Meer gestoßen und für tot erklärt. Doch Yarvi überlebt und schwört Rache gegen den Usurpator. Zunächst muss er jedoch Gefangenschaft, Brutalität und die Erbarmungslosigkeit seiner Welt überstehen. Auch wenn er Freunde in den Schatten findet und mit einem scharfen Verstand so manchen Hindernissen trotzt, hängt das Unheil stets über ihm und seinen neuen Begleitern und es ist ungewiss, welcher König letztendlich stirbt und welcher auf dem schwarzen Stuhl sitzt. Der erste Eindruck Während die Begeisterung über dieses Buch groß zu sein scheint – besonders wenn man die ersten paar Seiten meiner Ausgabe betrachtet, die vollgekleistert sind mit Lobeshymnen – war ich nur verhalten enthusiastisch. Besonders mein erster Eindruck war zwiegespalten. Das mag auch an der Aufmachung liegen: Fünf Seiten Selbstbeweihräucherung am Anfang, bevor auch nur ein Wort erzählt wurde, finde ich unglücklich. Es hat den Eindruck erweckt, als würde der Herausgeber es für nötig befinden, mir die Meinung anderer unter die Nase zu reiben, um meine Reaktion sicherzustellen und das hat mich gestört. Besonders, weil das Buch wunderbar ohne ausgekommen wäre. Die Aufmachung ist dagegen wirklich schön und trifft meinen persönlichen Geschmack sehr. Hübsches Cover, ansprechender Klappentext und eine Karte, mit der man natürlich erst noch nichts tun kann. Die ersten Kapitel steigen so schnell in die Geschichte ein, dass man es fast ein bisschen zu schnell finden könnte. Ich musste mir erst aktiv die Zeit zum Lesen nehmen, denn fest einfangen konnte mich das Buch sonst nicht. Die Stärken Zuerst kann man auf jeden Fall sagen: Es ist ein gutes Buch. Daran will ich hier auch keinen Zweifel erheben. Besonders die Actionszenen waren wunderbar geladen und hatten eine gute Geschwindigkeit. Das ist in jedem Fall für mich eine der größten Stärken des Autors und es ist gut, dass es so viele davon gibt. Es ist eine sehr brutale Geschichte und dafür, dass er in einem Interview sagte, die Gewalt sei absichtlich nicht so explizit … war es recht explizit. Davon haben die genannten Actionszenen allerdings sehr profitiert und für mich persönlich sind blutige Morde, gnadenlose Sklaventreiber und erbarmungslose Grausamkeit eher ein Pluspunkt … auf ihre eigene verdrehte Weise (außerdem passten sie gut ins Buch). Ich verstehe deshalb, warum sich G.R.R. Martin so positiv geäußert hat – wie das Buch gleich zwei Mal stolz verkündet. Anders als Mr. Martin habe ich den Einstig allerdings nicht so einfach gefunden. Es hat eine Weile gedauert, bis ich mich an den leicht pathetischen Stil gewöhnt hatte und zu Anfang habe ich das Buch nach höchstens zwei Kapiteln (sehr kurzen Kapiteln) aus der Hand gelegt. Ein weiterer sehr positiver Punkt war die Dichte der Welt. Ich persönlich hätte mich nicht gegen etwas mehr Details gewehrt, aber die Gegebenheiten haben die Geschichte gut getragen und untermauert. Besonders der Wikinger-Vibe, der sich mehr und mehr durchgesetzt hat, wirkte sehr durchdacht und fundiert. Es dauert allerdings eine Weile, bis man versteht, womit man es zu tun hat. Die Geschichte lebt in erster Linie – und darin habe ich mich sehr gut wiedergefunden – von den Charakteren. Die sind alle sehr individuell und realistisch ausgestaltet. Relevante Vorgeschichten, Ticks, individuelle Details und wenige Superklischees. Ganz an der üblichen Schiene kommen sie zwar nicht vorbei, weil besonders die Antagonisten schon nach sehr gängigen Mustern gezeichnet werden, aber weniger lebhafter macht sie das nicht. Es wird nur aus einer Sicht erzählt, aber der Protagonist ist einigermaßen sympathisch. Einigermaßen? Ja, Yarvi ist ein mehr als grauer Held. Er durchläuft eine realistische Charakterentwicklung und kommt als veränderter Mann hinten wieder raus. Allerdings muss ich sagen, dass der Yarvi am Anfang mir wesentlich sympathischer war, einfach weil ich finde, dass er für die falschen Dinge abhärtet. Obwohl er selbst eine ganze Menge Leid erfährt, lässt er das Prinzip „Rücksicht“ mehr und mehr zurück. Dafür sind seine Begleiter mir aber umso sympathischer und es hat mir gut gefallen, dass das eindeutige Loveinterest hinter der „Kämpfen oder Sterben“-Situation und dem primären Ziel des Protagonisten angestellt wurde, anstatt es zu erzwingen. Probs auch an die Darstellung weiblicher Charaktere. Wir haben in Half a King viele starke Frauen, obwohl die Welt ein krasses Patriarchat ist. So ist die epischste Antagonistin eine ruchlose Kapitänin, die goldene Königin eine der mächtigsten und eindrucksvollsten Figuren im ganzen Buch und die Navigatorin auf vielen – leider sehr spoilerlastigen – Ebenen mein Lieblingscharakter. Kritikpunkte Das bringt mich zur Moral von der Geschicht, die ich noch nicht ganz verarbeitet habe. Ich will natürlich nicht das Ende vorwegnehmen, aber für die Gesamtaussage hätte ich mir etwas … moralisch Wertvolleres gewünscht. Das Thema Rache erfährt eine hohe Relevanz und ist eine wiederkehrende Triebfeder für verschiedenste Charaktere - und wird nie wirklich in Frage gestellt. Zwar hat Yarvi eigentlich ein Gewissen und die richtigen Gedanken, aber er lässt sie nie lange genug zu, um tatsächlich zu durchdenken, ob Rache das ist, was er braucht. Da hätte ich mir mehr gewünscht. Besonders, weil der Prinz eigentlich ein sehr reflektierter und intelligenter Mensch ist, dem Philosophie durchaus liegt. Seine Gedankenwelt wird sehr schön ausgestaltet mit vielen Rückbezügen auf seine Ausbildung und der Grundstein ist definitiv da. Ich verstehe auch, dass Joe Abercrombie verdeutlichen wollte, dass das in dieser Welt eben so sein muss und Yarvi nicht nach einem modernen Weltbild erzogen wurde, trotzdem müsste der Hauptcharakter meiner Meinung nach zu mehr Reflektion über seine Ziele in der Lage sein und ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass diese Stellen vielleicht gestrichen wurden, weil ich ungenutzte Fragmente davon im Text sehe. Wo wir schon bei negativen Dingen sind, kann ich direkt auf mein größtes Problem zu sprechen kommen. Es ging mir zu schnell. Besonders am Anfang habe ich eine Weile gebraucht, um mich mit der Hast abzufinden, mit der teilweise über die Szenen hinweggefegt wurde. Einerseits ist das vermutlich eine Frage des Schreibstils. Joe Abercrombie schreibt hier sehr bildlich, reich an Metaphern und Vergleichen und mit sehr präzisen Sätzen. Er schafft es, mit wenigen Sätzen eine Szene zu skizzieren und einen Wortpalast zu bauen, der – wenn auch zweitweise etwas schwülstig – ein sehr harmonisches Bild grundieren könnte. Dafür verdient er definitiv Anerkennung. Für meinen Geschmack passiert allerdings zu wenig damit. Das Gerüst steht und ist wunderbar, aber ich habe an zu vielen Stellen das Gefühl gehabt, einer hastigen Nacherzählung zu folgen, statt mich inmitten der Situation zu befinden. Das ist auch kein Wunder, denn für 80.000 Wörter passiert verdammt viel! Ich hätte lieber 30.000 Wörter mehr gelesen und den Szenen mehr Zeit zur Entfaltung gelassen, besonders mehr Emotionen beschrieben und mich an ein paar weiteren Details aufgehalten, um noch weiter darin zu versinken. So konnte ich nicht überall die Bindung zu den Charakteren aufbauen, die es vielleicht gebraucht hätte, um ihre Schicksale angemessen zu betrauern oder zu bejubeln. Wenn ein Charakter in zwei Sätzen stirbt, kann ich ihn noch so sehr gemocht haben – das ist mir dann schnell gleichgültig und eine Verschwendung der sonst so genialen Actionszenen. An manchen Stellen hatte ich den Eindruck, als hätte sich ein Korrektor drangesetzt und die ganzen vertiefenden Beschreibungen gestrichen. Man erfährt also quasi alles was man wissen muss, aber dann geht es weiter und man bekommt nicht die Möglichkeit, sich mit den Einzelheiten zu befassen. Fast-paced indeed. Gesamteindruck Eine wichtige Frage bleibt noch: Ist es spannend? Die Antwort ist ja, weil die Geschichte mehr zu bieten hat als Unvorhersehbarkeit. Es mag an Genrekonventionen liegen, aber wirklich überrascht war ich an keiner Stelle. Selbst den ultimativen Plottwist am Ende hatte ich vermutet. Das muss aber nichts Schlechtes bedeuten, weil immerhin die Geschichte damit schlüssig ist, nicht wahr? Ich hatte meinen Spaß an vielen anderen Dingen in dieser Story und es war offensichtlich spannend genug, um doch bis zum Ende unterhaltsam zu sein. Mitleid war auf jeden Fall eine der vorherrschenden Emotionen beim Lesen und ich finde es tatsächlich auch noch Stunden später in meinen Gedanken. Irgendwie mitgerissen hat es mich also doch. Die kurze Leseprobe des zweiten Bandes fand ich sehr ansprechend. Auch wenn ich nicht das Bedürfnis habe, in den Laden zu stürzen und mir sofort den zweiten Band zu kaufen, werde ich ihn bestimmt irgendwann lesen. In Anbetracht des Schreibstils würde ich außerdem dringend die Lektüre auf Englisch empfehlen, weil die sehr vorsichtige Wortwahl der Sprache eindeutig mehr zugetan ist als dem Deutschen. Fazit Letztendlich ist Half a King ein typisches Fantasybuch, das die Genrekonventionen erfüllt, ohne sich auf Klischees zu versteifen. Die düstere Grundstimmung deckt sich gut mit dem brutalen, wenn auch sehr menschlichen Storytelling. Gut ausgearbeitete und lebhafte Figuren halten die Geschichte zusammen und auch wenn von Zeit zu Zeit etwas ausführlichere Beschreibungen mehr Spaß gemacht hätten, waren die Details der Geschichte sehr stimmig und ansprechend. Besonders die Welt hat überzeugt und bietet sicher noch Potenzial für die weiteren Teile der Trilogie. Es handelt sich nicht um eine Geschichte, bei der ich untrennbar an den Seiten geklebt habe und es nicht aus der Hand legen konnte, aber ich hatte trotzdem eine angenehme Leseerfahrung. Ein gutes Buch zum „einfach mal Weglesen“ und für die tägliche Dosis Fantasy. Habt ihr Half a King gelesen? Wenn ja, hat es euch gefallen? Wenn nein: Werdet ihr es lesen? Hat vielleicht jemand eine Buchempfehlung? Verratet es mir in der schönen Kommentarfunktion :) HarperCollins Publishers |13,99€|UK £8,99|Taschenbuch
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